Astronomie

„Missing-Link“ an unserem Schwarzen Loch aufgespürt

Astronomen beobachten erstmals Strahlungsausbruch von Sagittarius A* auch im mittleren Infrarot

Strahlungsausbruch bei SAgittarius A*
Astronomen haben erstmals einen Strahlungsausbruch unseres Schwarzen Lochs auch in mittleren Infrarot beobachtet. Diese drei Illustrationen verdeutlichen die Veränderungen innerhalb des Flares.© CfA/ Mel Weiss

Fehlendes Puzzlestück gefunden: Ein Strahlungsausbruch am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße hat eine seit langem klaffende Lücke geschlossen. Denn erstmals gelang es Astronomen, dabei auch Strahlung im mittleren Infrarot nachzuweisen – bisher war dies nicht möglich. Die Beobachtung hilft nun zu klären, wie die multispektralen Strahlungsausbrüche am supermassereichen Schwarzen Loch Sagittarius A* entstehen und welche Physik dahinter steckt.

Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße ist zurzeit eher ruhig und verschlingt kaum Materie. Sagittarius A* ist daher weitgehend unsichtbar. Nur ein leichtes Flackern seines Lichtrings zeugt von schwachen Strahlungsausbrüchen durch in das Schwarze Loch gezogenen Gase. Astronomen beobachten diese „Flares“ schon seit Jahrzehnten vor allem im Röntgen-, Radio– und Nahinfrarotbereich.

Doch wie die Strahlenschübe unseres Schwarzen Lochs ausgelöst werden, ist unklar – auch, weil ein wichtiges Puzzlestück in den Beobachtungen bisher fehlte: „Seit über 20 Jahren wissen wir, was im Radio und was im nahen Infrarot passiert, aber die Verbindung zwischen beiden war nie hundertprozentig klar“, erklärt Koautor Joseph Michail vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics (CfA). Das erschwerte es, Theorien zur den Flares von Sagittarius A*zu überprüfen.

Verlagerung des Flares
Durch die schnelle Rotation der Akkretionsscheibe und der Magnetfelder am Schwarzen Loch verlagert sich auch die Quelle des Flares. © Sebastiano von Fellenberg / von Fellenberg et al., ApJ Letters 2025

Webb-Teleskop fängt Strahlungsausbruch ein

Jetzt ist es einem Team um Michail und Erstautor Sebastiano von Fellenberg vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn gelungen, diese Lücke zu schließen – dank des James-Webb-Weltraumteleskops. Erst sein MIRI-Spektrometer ist im mittleren Infrarotbereich zwischen 4,9 und 20 Mikrometer Wellenlänge hochauflösend genug. Mit ihm haben die Astronomen nun erstmals auch einen Strahlungsausbruch von Sagittarius A* in diesem Strahlungsbereich beobachtet.

Der Flare ereignete sich am 06. April 2024 und wurde parallel vom Webb-Teleskop, den Radioteleskopen des Submillimeter-Array (SMA) auf Hawaii und zwei Röntgenteleskopen im Erdorbit eingefangen. „Der Ausbruch von Sagittarius A* entwickelt und verändert sich schnell – innerhalb weniger Stunden'“, berichtet Michail. „Und nicht alle diese Veränderungen sind bei jeder Wellenlänge erkennbar.“ Doch gerade diese Verteilung und die zeitlichen Verzögerungen zwischen den Wellenlängenbereichen sind essenziell, um Rückschlüsse auf die physikalischen Mechanismen zu erlauben.

Mittelinfrarot-Flare in drei Phasen

Tatsächlich detektierte das MIRI-Spektrometer beim Flare auch verstärkte Strahlung im mittleren Infrarot. Erstmals bestätigt dies, dass unser Schwarzes Loch bei seinen Flares auch Strahlung in diesem Wellenbereich erzeugt. Gleichzeitig enthüllte das Webb-Teleskop auch den genaueren Ablauf des Strahlungsausbruchs:

„Dieser Mittelinfrarot-Flare kann in drei Phasen unterteilt werden: erstens einen schnellen Anstieg innerhalb von rund zehn Minuten, zweitens eine rund 20 Minuten dauernde Phase schwankender Intensität und drittens einen schnellen Abfall von ebenfalls rund zehn Minuten“, berichten Michail und seine Kollegen. Ein verzögertes Gegenstück dieses Ausbruchs zeigte sich auch im Radiobereich, Röntgenstrahlung wurde jedoch nicht detektiert.

Phasen des Ausbruchs
Lichtkurve mit den drei Phasen des Strahlungsausbruchs im mittleren Infrarot und Aufnahmen von Sagittarius A* durch das MIRI-Spektrometer. © Sebastiano von Fellenberg / von Fellenberg et al., ApJ Letters 2025

Bestätigung der Modelle

Damit schließen diese Beobachtungen nicht nur eine Lücke im Spektrum, sie bestätigen auch theoretische Modelle zum möglichen „Motor“ dieser Ausbrüche. Demnach entstehen die Flares durch „Kurzschlüsse“ zwischen den Magnetfeldlinien am Schwarzen Loch. Dabei wird Energie frei, durch die Elektronen bis auf fast Lichtgeschwindigkeiten beschleunigt werden, wie die Astronomen erklären. Wenn diese Elektronen dann abkühlen, geben sie Synchrotronstrahlung ab – und diese speist dann den Flare.

„Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Emission von Sagittarius A* im mittleren Infrarot tatsächlich von der Synchrotronstrahlung kühlender Elektronen herrührt“, sagt von Fellenberg. Der Ausstrom schneller Elektronen erzeugt dabei zunächst einen starken Anstieg der Infrarotstrahlung, bevor dann Wechselwirkungen der Teilchen die schwankende Mittelphase einleiten. Wenn dann die Elektronen abgekühlt sind, fällt auch die Strahlungsintensität wieder rapide ab.

„Erst der Anfang“

Doch auch mit diesen neuen Erkenntnissen stehen die Astronomen erst am Anfang. „Wir müssen noch mehr über die magnetische Verknüpfung und die Turbulenzen in der Akkretionsscheibe von Sagittarius A* verstehen“, betont von Fellenberg. „Dieser allererste Nachweis im mittleren Infrarot und die beobachtete Variabilität im Radiobereich haben nicht nur eine Lücke in unserem Verständnis der Ursache des Ausbruchs von Sagittarius A* geschlossen, sondern auch eine neue, wichtige Forschungsrichtung eröffnet.“

Michail ergänzt: „Es gibt noch eine Fülle von Erkenntnissen, die sich im Umfeld dieses Schwarzen Lochs verbergen und die nur darauf warten, dass wir sie aufdecken. Wir wollen herausfinden, welche Geheimnisse sich das Schwarze Loch noch entlocken lässt.“ Zudem sei es nun wichtig, auch andere supermassereiche Schwarze Löcher ähnlichen Multi-Wellenlängen-Untersuchungen zu unterziehen. Erst dies kann zeigen, was wirklich innerhalb und außerhalb der Akkretionsscheiben dieser Schwerkraftgiganten vor sich geht. (245th proceedings of the American Astronomical Society (AAS) ; The Astrophysical Journal Letters, accepted; Preprint doi: 10.48550/arXiv.2501.07415)

Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

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